Um 07:30 Uhr morgens klingelt der Wecker. Wir werden wie gewohnt mit einem Sprinter abgeholt. Es ist früh. Das merken wir an der Stimmung. Die Stunde Fahrt bis zur Grenze von Chile und Bolivien wird so gut wie nicht gesprochen. Kurz vor der Grenze hält der Sprinter an und wir bekommen ein Briefing wie wir die Pässe und die PDI, ein Dokument das wir bei der Einreise in Chile bekommen haben, vorzubereiten haben, damit an der Grenze alles schnell geht.
An der Ausreisestation warten schon in Reihe geparkt, vier weitere Sprinter mit Leuten, die ausreisen möchten. Hier heißt es warten. Irgendwann breche ich das Eis und beginne eine Unterhaltung mit unseren Mitreisenden. Mit in unserem Bus sind ein Deutscher namens Chris, ein Norwegisches Geschwisterpaar Namens Knut und Jens, ein Paar aus Taiwan namens Mary und Will und Quitéria und Adriano ein Ehepaar aus Brasilien. Zu dem Zeitpunkt wissen wir noch nicht wie sehr die beiden uns in den nächsten drei Tagen ans Herz wachsen werden. Die Stimmung beginnt ausgelassen zu werden und wir tauschen uns über Reiseziele und Erlebnisse aus.
Nina und ich haben die Temperatur an diesem Morgen auf 4044 m Höhe deutlich überschätzt und frieren in Birkenstocks und kurzen Hosen. Die Fahrer der Busse stehen draußen im Kreis, unterhalten sich und machen Witze. Die Wartezeit hier scheint absolute Routine zu sein. Nach einer guten Stunde Stillstand dürfen wir endlich mit dem Bus in die Halle fahren, in der sich das Ausreisebüro befindet.
Wir müssen uns streng sortiert, mit den Pässen in der Hand, vor dem Büro in eine Reihe stellen. Im Eingang liegt eine junge Frau auf dem Boden, die die Höhe scheinbar nicht verträgt und von den Grenzpolizisten mit Wasser versorgt wird.
Wider Erwarten gestaltet sich der eigentliche Ausreiseprozess völlig unkompliziert. Die Grenzpolizisten sind freundlich, können Englisch und sogar Chris, der seine PDI verloren hat, kommt problemlos durch. Jetzt kann es weiter nach Bolivien gehen.
Ca. 100 m weiter befindet sich die Einreise Station nach Bolivien. Die Beamten hier sind ebenfalls super entspannt und freundlich. Das Einreiseformular, das Nina und ich nur halb ausfüllen können, wird von den Beamten kurzer Hand selbst um die nötigen Felder ergänzt.
Weitere 100 m weiter halten wir zusammen mit allen anderen Sprintern, die den Prozess der Aus-und Einreise hinter sich haben, auf einem Parkplatz an. Also eigentlich ist es kein Parkplatz. Mehr eine einigermaßen ebene sandige Fläche inmitten von Wüste auf dem halt alle Auto stehen. Hier wechseln wir die Fahrzeuge und Fahrer. Wir lassen den Fahrer der ersten Etappe zurück und steigen in Toyota Landcruiser um. Die Fahrzeuge haben grobe Offroad Bereifung und sind jeweils mit einem Dachgepäckträger ausgestattet. Auf diesem befinden sich einige Kanister Benzin und in den volleren Geländewägen wird das Gepäck der Reisenden zusätzlich auf dem Dach verstaut. Außerdem gibt es Frühstück: Kaffee, Brot, Rührei und Kuchen.

Wir lernen unseren Fahrer/Guide für die nächsten drei Tage kennen, Carlos. Unsere Gruppe aus dem Sprinter wird geteilt. Wir haben Glück und sind nur mit vier Passagieren Plus Fahrer im Auto und unser Gepäck passt auf die dritte Sitzbank. Unsere Mitreisenden, abgesehen vom Fahrer Carlos, der uns jetzt drei Tage durch die bolivianische Natur fahren wird, sind das brasilianische Paar Adriano und Quitéria. Da die Tour für alle Fahrzeuge die gleiche ist, sehen wir den Rest der Gruppe immer wieder an den einzelnen Stationen der Reise.
Die Laguna Verde
Bei unserem ersten Stop nach dem Grenzübertritt erreichen wir die Laguna Verde. Das Wasser ist glatt und spiegelt den Himmel und den dahinter liegenden Berg. Am Ufer der Lagune trottet ein Fuchs gemächlich entlang und zeigt sich von den fotografierenden Touristen völlig unbeeindruckt. Hier erreichen wir ebenfalls den höchsten Punkt der nächsten drei Tage mit knapp unter 5000 Höhenmetern. Die Luft ist spürbar dünner als in San Pedro de Atacama, mehr merken wir an dieser Stelle nicht. Das soll sich aber im Verlauf des Tages massiv ändern.
Es geht weiter ins bolivianische Ödland. Die Strecke besteht nicht aus einer Straße, nichtmal aus einer Schotterpiste. Vielmehr gibt es ein Labyrinth aus Fahrspuren, die mehr oder weniger in die gleiche Richtung gehen. Als Orientierung dienen nur die umliegenden Bergspitzen. Wie sich Carlos hier orientiert finden wir nicht raus. Es gibt weder ein Navi noch Mobilfunknetz.
Die Laguna Azul
Zweiter Stop ist die blaue Lagune. Das Ufer ist mit Moos überzogen und lässt den blau schimmernden See märchenhaft wirken. Der Boden um den See ist weich und wir müssen jeden Schritt sorgfältig prüfen um nicht einzusinken. Es weht ein leichter, kalter Wind. Hier ist es ruhig und wir haben einen Moment erwischt, in dem kein anderer Landcruiser mit anderen Touristen vor Ort ist.
Nachdem wir die Stille etwas genießen konnten geht es zurück ins warme Auto. Die Straße ändert sich zu einer Buckelpiste, auf der wir uns teilweise nur mit Schrittgeschwindigkeit durch die Löcher im Boden arbeiten. Während wir gemächlich durchgeschaukelt werden, bricht die Müdigkeit durch die dem frühen aufstehen geschuldet ist und Nina schläft wie ein Stein. Ihr Kopf schwingt dabei mit ungesund aussehender Amplitude von links nach rechts, aber sie schwört es sei gemütlich. Soviel zum Unterschied zwischen innerer und äußerer Wahrnehmung.
Schwimmen gehen in warmer Quelle
Auf dem Weg zu den Geysiren kommen wir an einer warmen Quelle vorbei, die gelegener nicht kommen könnte. Zwei einfach gemauerte Pools laden hier zum Baden ein. Es hängt ein leichter Schwefelgeruch in der Luft. Auf der Wiese, die die Pools auf einer Seite umgibt, grasen gemütlich Lamas und ein Flamingo steht einsam im Fluss und stochert mit dem Schnabel im Wasser rum. Der Boden ist mit Salz und kleinen Grasbüscheln überzogen. Dadurch schlängelt sich ein 1,5 m breiter Bach mit mosigem Ufer.
Tödliche Krater und Schwefelwolken – die Geysiere
In einer rot-beige sandigen Landschaft, die mit Erdlöchern durchsetzt ist und an einen Science Fiction Film aus den 80ern erinnert, der versucht die Marsoberfäche nachzustellen, befinden sich die Geysire. Der Geruch nach Schwefel hier ist stark. Der Wind zum Glück auch, denn so werden die aus den Löchern aufsteigenden Dampfwalzen schnell verteilt. In den Erdlöchern köchelt eine dicke eisengraue Flüssigkeit vor sich hin. Carlos hat uns darauf hingewiesen hier besonders vorsichtig zu sein. Wir sind nicht mehr in Chile und Sicherheitsvorkehrungen gibt es hier nicht. Ein falscher Schritt und wir rutschen in die kochenden Krater. Die Nähe zu dem Naturphänomen macht aber den Charm dieses Ortes aus. Wir marschieren vorsichtig zwischen den einzelnen Kratern umher und genießen die surreale Umgebung die auch irgendwie lebensfeindlich wirkt.
Flamingos so weit das Auge reicht
Nachdem es eine Stunde weiter über buckelige Wege und vorbei an grasenden Lamaherden geht und Carlos Unmengen an Kokablättern vernichtet, erreichen wir die Laguna Colorada. Von allen Lagunen auf dieser Tour ist sie die beeindruckendste. Flamingoherden stehen in der riesigen, seichten Lagune, die sich blutrot kilometerweit vor uns erstreckt. Die Flamingos reflektieren in der seichten Oberfläche der Lagune und sehen bei der Nahrungsaufnahme ein bisschen so aus, als würden sie sich selber knutschen. Das Ufer ist durch eine trostweiße Salzkruste, kombiniert mit sattgrünem Moos und kleinen Grasbüscheln, geprägt. Der Wind ist stark und mit wütenden kleinen Regentropfen angereichert. Der Himmel wolkenschwer und dramatisch. Alles hier passt zusammen. Wir schlendern die Wege um die Lagune entlang und versuchen so viel wie möglich von diesem Ort in uns aufzunehmen.
Müde und zufrieden kommen wir im Hostel an. Es ist ein einfaches einstöckiges Gebäude in einem einfachen einstöckigen Dorf. Das Zimmer ist zweckorientiert, aber von schön kann nicht die Rede sein. Das Essen ist ebenfalls einfach, aber Lecker! Es gibt, wie in Bolivien üblich, eine Mahlzeit die aus drei Gängen besteht: Suppe, Hauptgericht, Nachtisch.
Adriano und mich plagen aufgrund der Höhe heftige Kopfschmerzen. Wir versuchen dem mit viel Wasser und salzige Essen entgegen zu wirken. Das funktioniert leider nur bedingt. Nina und Quitéria stecken die Höhe besser weg. Zum Glück siegt bei mir irgendwann die Müdigkeit und wir schlafen wie Steine.
Felsen und Berge zum anfassen
Am nächsten Morgen gehts mir wieder gut. Die Nacht hat zum Glück gereicht, um mich an die neue Höhe zu gewöhnen. Bei Adriano sieht es leider nicht ganz so gut aus.
Heute führt uns unser Weg an verschiedenen Felsformationen vorbei, die wir beklettern und bewundern. Die Farbe ist rotbraun und erinnert an kleine Abspaltungen vom Grand Canyon. Nina darf DJ spielen und wir tauschen Modern Talking gegen die Fugees und Drake. So macht Fahren wieder Spaß.
Zum Mittagessen halten wir an der Laguna Negra. Hier erwartet uns eine Landschaft die aussieht als wären wir mitten im Auenland. Nur, dass wir anstelle von Hobbits und Gandalf, mit Lamas Bekanntschaft machen. Die Tiere laufen gemeinsam mit uns auf der riesigen Mooswiese und sind so zahm, dass wir nah herankommen und weder sie sich von uns, noch wir uns von ihnen gestört fühlen. Nur die Bewunderung ist ein einseitiges Vergnügen.
Adriano kann die Landschaft leider nicht genießen, da es ihm zunehmend schlecht geht. Die mangelnde Gewöhnung an die Höhe schlägt bei ihm voll zu. Beim Essen rührt er so gut wie keinen Bissen an. Es wird noch mindestens zwei Tage dauern bis wir wieder unterhalb von 3000 Höhenmetern sind und wir machen uns Sorgen. Abgesehen davon, dass er die Umgebung nicht genießen kann, ist mit Höhenkrankheit auch nicht zu spaßen. Carlos organisiert ihm einen Tee aus Kokablättern und ein paar anderen Kräutern. Der Tee wirkt Wunder. Innerhalb von Minuten sieht Andriano nicht mehr aus wie ein Häufchen Elend, sondern fängt wieder an Witze zu machen und referiert über Deutsche Gerichte, die er aus Brasilien kennt.
Daher warten wir geduldig bis er sich einige Portionen von dem Wundertee genehmigt hat und machen uns dann weiter auf den Weg zum Hostel für die Nacht.
Unendliche weiße Weiten – die Salar de Uyuni
Um 04:30 Uhr machen wir uns auf den Weg in die Salar de Uyuni. Es ist stockdunkel, aber wir möchten den Sonnenaufgang in der Salzwüste sehen. Nach kurzer Zeit erreichen wir mit dem Landcruiser den Rand der Wüste.
Wir fahren weiter rein. Keiner bestehenden Fahrspur folgend und geradeaus über die weiße Oberfläche. Es gibt nichts, keinen Weg, keine Bäume, keine Pflanzen, keine Steine. Nur eine weiße Salzfläche, auf der sich der Kegel der Scheinwerfer abzeichnet. In der Ferne sehen wir kleine Lampen die zu den Lithium Mienen gehören. Unter der Salar de Uyuni befindet sich das größte Lithium Vorkommen des Planeten. Carlos macht zwischendurch zum Spaß immer wieder das Licht aus und lässt den Landcruiser mit 60 km/h ins Dunkle Nichts rollen. Gespenstisch. Als der Himmel am Horizont heller wird und den bevorstehenden Sonnenaufgang ankündigt, halten wir. Dafür müssen wir nicht rechts ran fahren oder einen Parkplatz suchen. Wir bleiben einfach mitten im Weißen stehen. Aus dem Auto gestiegen, spüren wir den konstanten kalten Wind des Wüstenmorgens. Der Wind hat keine Amplitude oder Richtungsänderungen. Auf dem Boden zeichnet sich langsam die für die Salzwüste typische Wabenstruktur ab, während es in der Ferne langsam heller wird und die Sonne sich majestätisch über den schnurgeraden Horizont erhebt. Der Wind kühlt uns erbarmungslos aus und wir gucken uns die letze halbe Stunde vom Inneren des Landcruisers an. Carlos erklärt uns geduldig, wie seine Vorfahren sich auf der Wüste orientiert haben, als sie noch mit Lamas Handelswaren über die weiten Salzflächen transportiert haben.
Wer es im Salz schafft zu überleben – die Isla Incahuasi
Nach dem Sonnenaufgang geht es weiter über endlose Salzflächen. Ziel ist die Kakteeninsel Isla Incahuasi. Eine Erhebung in der Salzwüste, auf der sich durch die Isolation und die Witterung ein Wald aus riesigen Kakteen entwickelt hat.
Angekommen treffen wir wieder auf die bekannte Batterie an Toyota Landcruisern. Nur vereinzelt gesellt sich ein anderer Fahrzeugtyp dazu. Ein paar Nissan Patrol und ein alter Sprinter mit Allrad, der augenscheinlich zu einem Wohnmobil umgebaut wurde.
Wir klettern die Felsen, die die Insel ausmachen, empor und genießen den Lichtwechsel, während der Sonnenaufgang sich langsam in den Tag verwandelt.
Carlos tut es den anderen Fahrern gleich und bereitet ein einfaches Frühstück vor. Die erste Mahlzeit für heute. Danach geht es weiter. Wir möchten die Weiten der Wüste bei Tageslicht erleben. Nachdem wir eine Stunde Richtung Horizont gefahren sind, befinden wir uns wieder außerhalb von Zivilisation, anderen Fahrzeuge oder irgendetwas anderem, das man in irgendeine Richtung erkennen könnten. Der Himmel ist blau und die Sonne hell. Der reflektierende Boden verdoppelt gefühlt die Strahlung. Wir nutzen die endlos gerade Fläche und den Mangel an Perspektive in der Weitsicht und machen Bilder. Carlos kennt den Effekt nur zu gut und hat sogar einen kleinen Plastik Dinosaurier dabei. Als wir eine Choreografie einstudiert haben, fährt er mit aktivem Zeitraffer auf dem IPhone im Kreis um uns herum und wir tanzen mit Adriano und Quitéria den Salzwüstentanz.
So haben wir uns die Salzwüste vorgestellt. Stählende Sonne und alleine (bis auf unsere Begleiter natürlich).
Zurück nach Uyuni
uf dem Weg nach Uyuni, dem kleinen Ort in dem Nina und ich uns absetzen lassen, kommen wir noch an einem alten Hostel vorbei. Es ist mitten in der Salzwüste und komplett aus Salz gebaut. Die Witterung und Zerfall haben es irgendwann unbewohnbar gemacht und so ist es heute ein Salzmuseum, das besichtigt werden kann.
In Uyuni angekommen machen wir einen kurzen Stop auf dem Zugfriedhof. Hier stehen alte Lokomotiven, die der Verwitterung in der salzigen Luft preisgegeben sind und ursprünglich zum Betrieb der Mienen genutzt wurden. Es ist interessant und spannend, weil auch hier wieder ohne irgendwelche Vorschriften und Sicherheitsbedenken, auf den alten Wagons herumgeklettert werden kann. Die Tatsache, dass der Platz mit seinen Überresten als Touristen Attraktion genutzt wird, liegt wohl daran, dass man hier das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden hat. Bis auf eine Dame die aus alten Stahlteilen zusammengeschweißte Skulpturen zur Schau stellt, gibt es hier keine weitere touristische Infrastruktur.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen lassen wir uns in unserem Hostel absetzen. Für Adriano und Quitéria geht es wieder zurück nach San Pedro de Atacama in Chile. Wir verabschieden uns herzlich und sind überrascht wie sehr wir mit den beiden ein kleiner Freundeskreis geworden sind.
@Quitéria & Adriano: Ich hoffe ihr bemüht den Übersetzer und lest Euch den Blog durch. Wir hatten wirklich schöne Tage mit Euch, danke dafür! Ich hoffe ihr habt eine gute Rückreise nach Brasilien und dass wir uns wieder sehen :)!
Mathias and Nina, we loved being with you those days. You are a fantastic couple and our trip was better with you.
The narration of your blog perfectly describes our trip. Thanks for your patience with my headache and the problems with the altitude.
We are waiting to see you again!